Laktat: Freund oder Feind? Die Wahrheit hinter dem Brennen
Das Brennen, das jeder kennt – aber kaum jemand versteht
Kennst du das? Deine Muskeln brennen, der Atem wird schwerer, und dieses unbarmherzige Feuer breitet sich in deinen Beinen aus, während du die letzten Wiederholungen deiner Kniebeugen durchziehst. „Nur noch zwei!“, rufst du dir zu, während deine Oberschenkel in Flammen zu stehen scheinen. Doch was hat es mit Laktat auf sich – ist es Freund oder Feind?
Jeder Sportler kennt dieses Gefühl. Das Brennen kurz vor dem Limit, die typische „Säure“ in den Muskeln. Und die meisten von uns haben irgendwann einmal gelernt: „Das ist Milchsäure.“ Aber stimmt das wirklich?
Die Antwort ist ein klares Nein. Und genau dieses Missverständnis blockiert bei vielen die Leistungsentwicklung. Denn Laktat – um das es hier eigentlich geht – ist nicht dein Gegner. Es ist ein Überlebensmechanismus. Ein Energieretter. Ein wichtiges Signal. Und sogar ein Trainingsverstärker.
In diesem Artikel erfährst du die wissenschaftliche Wahrheit über Laktat und wie du dieses Wissen nutzen kannst, um dein Training auf ein neues Level zu heben.
Was ist Laktat wirklich?
Bevor wir in die Tiefe gehen, räumen wir mit den größten Missverständnissen auf:
* Laktat ist ein Stoffwechselprodukt, das während der Glykolyse entsteht
* Es wird produziert, wenn dein Körper schnell Energie benötigt
* Laktat ist KEINE Milchsäure (auch wenn dieser Begriff sich hartnäckig hält)
* Es ist KEIN Abfallprodukt, sondern eine wichtige Energiequelle
* Dein Körper nutzt Laktat in Muskeln, Herz, Gehirn und Leber
* Laktat fungiert als Signalmolekül für Trainingsanpassungen
Anders als oft angenommen, ist Laktat also kein nutzloser „Abfall“, der entsorgt werden muss. Im Gegenteil – es ist ein hocheffizientes Zwischenprodukt deines Energiestoffwechsels mit vielen wichtigen Funktionen.
Warum entsteht Laktat? Die echte Biochemie
Um zu verstehen, warum Laktat so wichtig ist, müssen wir einen kurzen Blick auf die Biochemie werfen. Keine Sorge, ich halte es verständlich!
Wenn du intensiv trainierst, steigt dein Energiebedarf rapide an. Dein Körper verbraucht dann mehr Energie, als er mit Sauerstoff (aerob) bereitstellen kann. In diesem Moment schaltet er auf den anaeroben Stoffwechselweg um:
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- Glukose wird zu Pyruvat abgebaut (erste Phase der Energiegewinnung)
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- Normalerweise würde Pyruvat mit Sauerstoff weiterverarbeitet
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- Ohne ausreichend Sauerstoff wandelt der Körper Pyruvat in Laktat um
Und hier kommt der entscheidende Punkt: Diese Umwandlung geschieht nicht, weil der Körper „Abfall“ produzieren will. Sie geschieht, um NAD+ zu regenerieren – einen entscheidenden Cofaktor, den deine Zellen brauchen, um überhaupt weiter Energie produzieren zu können.
Laktat ist also wie ein Notfallgenerator, der verhindert, dass dein Muskel ausgeht wie ein Motor ohne Zündung. Ohne diesen Mechanismus würde deine Energieproduktion komplett zum Erliegen kommen, sobald der Sauerstoff knapp wird.
Mythen über Laktat – und die Wahrheit dahinter
Es gibt hartnäckige Mythen über Laktat, die sich seit Jahrzehnten halten. Zeit, diese zu entlarven:
❌ Mythos 1: Laktat verursacht Muskelkater
Wahrheit: Falsch. Muskelkater entsteht durch mikroskopische Verletzungen der Muskelfasern und die darauf folgenden Entzündungsprozesse. Laktat ist bereits Stunden nach dem Training vollständig abgebaut und hat mit dem Schmerz am nächsten Tag nichts zu tun.
❌ Mythos 2: Laktat macht die Muskeln sauer
Wahrheit: Nicht ganz. Der pH-Wert sinkt tatsächlich bei intensivem Training, aber nicht wegen des Laktats selbst, sondern durch die gleichzeitig freigesetzten Wasserstoffionen (H+). Laktat ist sogar Teil der Lösung, nicht das Problem!
❌ Mythos 3: Laktat ist schlecht für die Leistung
Wahrheit: Das Gegenteil ist der Fall. Eine hohe Laktat-Verarbeitungskapazität ist ein Zeichen hervorragender Fitness. Die besten Athleten produzieren oft mehr Laktat als Durchschnittssportler – können es aber besser verarbeiten und nutzen.
❌ Mythos 4: Laktat ist ein Abfallprodukt
Wahrheit: Nein, Laktat ist ein wertvoller Energieträger, ein Signalgeber für Anpassungsprozesse und ein Schutzmechanismus für deinen Stoffwechsel.
Laktat als Energiequelle: Der Laktat-Shuttle
Eines der faszinierendsten Konzepte in der Sportphysiologie ist der sogenannte „Laktat-Shuttle“. Er zeigt, wie intelligent dein Körper mit diesem Molekül umgeht:
* Laktat wird von stark arbeitenden Muskelzellen produziert
* Es gelangt ins Blut und wird transportiert
* Andere Gewebe nehmen das Laktat auf und nutzen es
* Besonders das Herz liebt Laktat als Energiequelle!
* Auch das Gehirn kann Laktat verwerten
* Die Leber kann Laktat wieder in Glukose umwandeln (Cori-Zyklus)
* Selbst ruhende Muskelfasern können Laktat von aktiven Fasern übernehmen
Dieser Kreislauf ist schnell, flexibel und hocheffizient. Er sorgt dafür, dass die während intensiver Belastung produzierte Energie nicht verloren geht, sondern im Körper dorthin transportiert wird, wo sie gebraucht wird.
Laktat als Trainingssignal (PGC-1α und Biogenese)
Laktat ist nicht nur Energie – es ist auch ein wichtiges Signalmolekül. Es sagt deinem Körper: „Wir brauchen mehr Leistungsfähigkeit!“
Wenn Laktat ansteigt, stimuliert es unter anderem:
* PGC-1α – den „Masterregulator“ für mitochondriale Biogenese
* Die Bildung neuer Mitochondrien (die „Kraftwerke“ deiner Zellen)
* Verbesserungen in der Energienutzung
* Effizientere Regenerationsprozesse
* Eine höhere allgemeine Leistungsfähigkeit
Das macht Laktat zu einem essentiellen Baustein für Ausdauer, Muskelwachstum und sportliche Performance. Ohne den Laktat-Stimulus würden viele Trainingsanpassungen deutlich schwächer ausfallen.
Laktat & Trainingspraxis: Was das für dich bedeutet
Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse haben direkte Auswirkungen auf dein Training:
Hypertrophietraining (Muskelaufbau)
Das Brennen in den Muskeln ist ein Zeichen, dass metabolischer Stress entsteht – einer der Hauptauslöser für Muskelwachstum. Laktat unterstützt dabei wichtige Wachstumsreize und fördert die Hormonausschüttung. Wenn du also bei deinen letzten Wiederholungen dieses intensive Brennen spürst, bist du auf dem richtigen Weg!
HIIT & Sprints
High Intensity Interval Training erzeugt hohe Laktatwerte – und genau das führt zu starken Anpassungsreaktionen deines Körpers. Deine Fitness steigt, deine Laktattoleranz verbessert sich, und deine Leistungsfähigkeit nimmt zu. Kein Wunder, dass HIIT so effektiv ist!
Ausdauertraining
Die Laktatschwelle (der Punkt, an dem Laktat im Blut deutlich ansteigt) ist der wichtigste Marker für Ausdauerleistung. Je weiter diese Schwelle nach oben verschoben wird, desto leistungsfähiger bist du. Ein gezieltes Training an und um diese Schwelle herum kann deine Ausdauer dramatisch verbessern.
Zone 2 + Laktat
Trainieren in der Zone 2 (unter 2 mmol/L Laktat) fördert die Fettverbrennung und mitochondriale Arbeit. Training über 4 mmol/L bietet einen hohen Stimulus, ist aber zeitlich limitiert. Die ideale Kombination: Beide Bereiche regelmäßig trainieren für maximale Anpassungen.
Laktatabbau: Wie lange dauert es wirklich?
Eine häufige Frage ist, wie lange Laktat nach dem Training im Körper verbleibt. Die Antwort ist überraschend:
* Nach 30–60 Minuten ist ein großer Teil bereits abgebaut
* Nach 1–2 Stunden sind die Werte nahezu normal
* Aktive Erholung (leichte Bewegung) beschleunigt den Abbau deutlich
Dein Körper ist unglaublich effizient im Umgang mit Laktat. Die Vorstellung, dass es tagelang in den Muskeln verbleibt und Probleme verursacht, ist schlichtweg falsch.
Wie du Laktat gezielt trainierst und nutzt
Mit diesem Wissen kannst du nun gezielt trainieren, um deine Laktatverarbeitung zu verbessern:
Laktattoleranz erhöhen
* Intervalltraining mit kurzen, intensiven Belastungen
* Rest-Pause-Sätze im Krafttraining (kurze Pausen zwischen den Sätzen)
* Übungen mit hohem metabolischem Stress (z.B. Supersätze)
Laktatverwertung verbessern
* Zone-2-Training (moderate Intensität über längere Zeit)
* Tempoläufe knapp unterhalb der Laktatschwelle
* Kontinuierliches Training im „Sweet Spot“ (zwischen aerob und anaerob)
Mitochondrien stärken
Eine bessere mitochondriale Funktion führt zu:
* Effizienterer Laktatverarbeitung
* Verbesserter Ausdauer
* Weniger Performance-Einbrüchen bei längeren Belastungen
[HIER KÖNNTE EIN LINK ZU DEINEM ARTIKEL ÜBER MITOCHONDRIALE BIOGENESE STEHEN]
Laktat & Regeneration
Überraschenderweise kann Laktat sogar regenerativ wirken:
* Es fördert den Blutfluss zu beanspruchten Geweben
* Es kann lokal Entzündungsprozesse regulieren
* Es hilft bei der Stabilisierung des pH-Werts
* Es liefert Energie für Reparaturprozesse in der Erholungsphase
Dies erklärt, warum leichte Bewegung nach intensivem Training („active recovery“) oft besser wirkt als komplette Ruhe – sie hält den Laktat-Shuttle aktiv und unterstützt die Regeneration.
Häufig gestellte Fragen zu Laktat
Was verursacht Laktat?
Laktat entsteht, wenn dein Körper mehr Energie benötigt, als er mit Sauerstoff bereitstellen kann. Es ist ein normales Produkt des anaeroben Energiestoffwechsels.
Warum brennen Muskeln beim Training?
Das Brennen kommt hauptsächlich von der Ansammlung von Wasserstoffionen (H+), die den pH-Wert senken, sowie von der Aktivierung bestimmter Schmerzrezeptoren durch die intensive Muskelarbeit. Laktat selbst verursacht nicht das Brennen.
Ist Laktat gut oder schlecht?
Laktat ist definitiv gut! Es ist ein wichtiger Energieträger, ein Signalmolekül für Trainingsanpassungen und ein Schutzmechanismus für deinen Stoffwechsel.
Wie lange bleibt Laktat im Muskel?
Der Großteil des Laktats wird innerhalb von 30-60 Minuten abgebaut. Nach 1-2 Stunden sind die Werte in der Regel wieder normal.
Wie trainiere ich meine Laktatschwelle?
Am effektivsten durch Intervalltraining knapp oberhalb deiner aktuellen Schwelle sowie durch kontinuierliches Training knapp unterhalb der Schwelle.
Macht Laktat Muskelkater?
Nein. Muskelkater entsteht durch mikroskopische Muskelverletzungen und Entzündungsprozesse, nicht durch Laktat.
Wie baue ich Laktat schneller ab?
Durch aktive Erholung (leichte Bewegung), gute Hydration und regelmäßiges Training, das deine Laktatverarbeitungskapazität verbessert.
Was bedeutet eine hohe Laktatkonzentration?
Eine hohe Laktatkonzentration während des Trainings zeigt, dass du intensiv arbeitest und dein anaerobes System stark beanspruchst. Bei gut trainierten Athleten kann dies ein Zeichen hoher Leistungsfähigkeit sein.
Fazit: Laktat – dein Verbündeter, nicht dein Feind
Laktat ist kein Gegner, kein Gift, kein Abfall. Es ist ein intelligentes Produkt deines Energiestoffwechsels, ein Turbo für deine Leistung und ein wichtiges Signal für Muskelaufbau, Ausdauer und Regeneration.
Wer Laktat versteht, versteht Training besser. Wer es gezielt nutzt, steigert seine Performance. Das nächste Mal, wenn du dieses Brennen in deinen Muskeln spürst, denk daran: Es ist nicht dein Feind, der dich ausbremst – es ist ein Verbündeter, der dir hilft, stärker und leistungsfähiger zu werden.
Dein Körper ist ein Meisterwerk der Evolution, und Laktat ist ein wichtiger Teil dieses ausgeklügelten Systems. Nutze dieses Wissen, um dein Training auf die nächste Stufe zu heben.
Leistung ist kein Zufall. Sie ist trainierbar – wenn du verstehst, was wirklich in deinen Muskeln passiert. 💪
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